TEE

Tee. Substantiv. Der flüssige Aggregatzustand des Glücklichseins.


dem tee zuhören

Wenn ich mir einen Tee mache, dann kann das ein achtsames Unterfangen sein. Ich fülle Wasser in den Wasserkocher und drücke den Knopf nach unten damit es aufgekocht wird. Der Tee, den ich heute trinke wird lose mit kochendem Wasser aufgebrüht. Wenn es um die Wassertemperatur für Tee geht, fällt mir immer diese Geschichte aus dem Kloster ein, wo wir heißes Wasser für die Retreat Teilnehmer in Thermoskannen abfüllten und sich jeder, der wollte einen Teebeutel in eine Tasse hing und das Wasser aus der Thermoskanne einfüllte. So macht man Tee. Bis ich von einem englischen Kursteilnehmer eines Besseren belehrt wurde. Er kam in die Küche und stand mit seiner Tasse da und meinte: „Where do I get water for my tea?“ Ich hatte die frisch aufgefüllten Thermoskannen erst in den Aufenthaltsraum gebracht und verstand nicht so recht. Es war Tag 3 und jeden Tag standen die Thermoskannen am selben Fleck. Ich entgegnete: „Oh. Well, the hot water for tea is as every day on the table … .” Er unterbrach mich auf höflich englische Art, sodass kein Wort zuviel gesprochen werden musste auf diesem Schweigeretreat und sagte: „My dear, I mean water for tea! Boiling water, not that lukewarm version of tea water you serve here in Austria. You know, we are a bit delicate with our tea time in England.” Ich brühte ihm neues Wasser am Herd auf. Das dauerte. Aber wir hatten Zeit. Während mein Wasser jetzt zu kochen beginnt, überlege ich welchen Tee er damals trank. Und da fällt mir die rostige Metalldose ein, die nach dem Seminar verwaist auf der Fensterbank stand und nur in dieser Retreatwoche ab und an auf einem anderen Platz gestanden hatte. Der Engländer hatte sich seinen losen Schwarzteevorrat mitgebracht und den Rest zurückgelassen. Wahrscheinlich stand er dort bis zu seinem nächsten Klosteraufenthalt, wo er wieder sein Schweigen brechen musste für sein kochendes Teewasser. Während bei mir heute zu Hause das Wasser im Kessel kocht, bis der Knopf mit einem klickenden Ton wieder nach oben springt, hole ich mein Teegeschirr und stelle es auf den Esstisch. Mein Vorrat an Yü Hong Cha, ein Schwarztee mit Chrysanthemenblüten, befindet sich auch in einer Metalldose. Die ist mit japanischen Papier überzogen und nicht rostig. Meine Teetrinkgewohnheiten haben sich mehr dem des Engländers angepasst als das damals im Kloster noch der Fall war. Heute beginnt das Hören des Tees und seiner Zubereitung bereits beim Vorbereiten des Wassers und nicht erst, wenn ich das fertige Teewasser aus der Tasse schlürfe. 

Give it a try: Was kannst Du alles hören beim Zubereiten und Trinken deines Tees? Das Einfüllen des Wassers in den Wasserkocher? Das Zischen des Wasserkochers und das Wasser wie es langsam beginnt zu kochen? Das Aufsteigen der Blubberblasen an die Oberfläche? Machen sie einen Ton, wenn sie entstehen oder wenn sie sich wieder auflösen? Die Teeblätter, die zum Beispiel aus der Metalldose oder der Tüte in die Kanne, den Teebeutel, das Teesieb fallen. Wir hören nicht die fallende Bewegung durch die Luft, sondern das Verlassen und Ankommen des Tees. Je nach Teesorte hört sich das auch ganz unterschiedlich an. Das Wasser, das in der Kanne, der Tasse, oder wie bei mir im Gaiwan ankommt, das höre ich auch. Ist es möglich zu hören wie sich die Teeblätter, die Blüten, jedenfalls die getrockneten Pflanzen entfalten? Wie sie Wasser aufnehmen und Wasser mit Geschmack wieder abgeben? Oder ist dies nur etwas Sichtbares und etwas das wir schmecken können, aber nicht hören? Das Abgießen des Tees in die Zwischenkanne, während der Keramikdeckel in der Öffnung verrutscht? Je nach Ausgußform der Kanne ergibt auch der Wasserstrahl des fertigen Tees einen anderen Ton. Das Verteilen des Tees auf die Anzahl der Tassen. Hörst Du das Teewasser wie es am Boden ankommt? Dem Teeduft lauschen das geht auch. Wenn Du die Nase über die Tasse hälst und tief einatmest, hörst Du deinen Atem, der den Duft transportiert. Schließlich das Schlürfen des heißen Tees und das Schlucken.  Sage nochmal jemand das Tee nur zum Trinken da ist. 


matcha am morgen

Meine Abhängigkeit von Cafe habe ich immer dann zu spüren bekommen, wenn ich auf Retreat war und auf meinen Cafe am Morgen und Nachmittag verzichtete oder gar verzichten musste.  Im Coronazeitalter habe ich dann aber Matcha für mich entdeckt, weil ich meinen Morgen noch ein heilsames Ritual schenken wollte. Der Chasen Besen aus Bambus war schon seit einem Produktshooting Teil meiner (nicht benutzten) Küchenutensilien. Meine Matcha Schale hatte ich bereits vor ein paar Jahren in Japan selbst geformt.  Es war also schon ein Grundstein gelegt ,ohne dass ich es beabsichtigt hätte.  Jetzt mittlerweile ist mein Cafekonsum auf eine oder zwei Tassen pro Woche geschrumpft. Das Matcharitual tut mir in vielerlei Hinsicht gut, weil ich spielerisch mein Wirken auf den Geschmack, das Aussehen und meine Reaktionen darauf entdecke und noch immer das Verhältnis süsser/bitterer Matcha, Wasser/Milch vermesse.  Jeden Morgen neu.  

Give it a try: Wasser/Milch anwärmen. Den Chasen anwärmen indem du etwas heisses Wasser in die Matchaschale gibst und den Besen reinstellst. So wird das Bambusholz weicher und der Matcha lässt sich geschmeidiger schlagen. Anschließend Matchapulver in die Schale geben und mit ein wenig Flüssigkeit das Pulver glatt rühren/schlagen. Einfach mal rechts und links in der Schale den Chasen rauf und runter streichen. Wenn der Matcha gut verrührt ist, sollten keine Klumpen mehr zu sehen sein und die Oberfläche ist  ganz glatt. Dann die restliche Flüssigkeit aufgiessen und mit dem Chasen schaumig aufschlagen. Dazu mit dem Besen mehr an der Oberfläche bleiben und aus dem Handgelenk eine Auf- und Abbewegung (wie ein W)  formen. Dabei zuhören wie der Schaum an der Matchateeoberfläche entsteht. 

War das Wasser/die Milch zu heiss, zu kalt oder gerade richtig? 

Hat sich der Chasen gut und geschmeidig schlagen lassen oder war er zuwenig angewärmt?

Wie war das Verhältnis der Matchamenge zur Flüssigkeit beim Glattrühren?  

Was hat die Temperatur und das Mischverhälntis der Flüssigkeiten mit der Festigkeit und des Entstehens von Schaum zu tun? 

Womit kannst du bei der Zubereitung noch experimentieren? Bei welchem Schritt hat es dir an Achtsamkeit gefehlt?  Was hast du ganz bewusst wahrgenommen?  Konntest du die Entstehung von Schaum hören? Das Fliegen des Besens über die Oberfläche der Flüssigkeit oder in Berührung mit der Schale? Hat die Schale gewackelt (so wie meine selbstgeformte) oder ist sie gut ausbalanciert? 

Was konntest du noch alles wahrnehmen?


kühlender pfefferminz tee

In Marokko bin ich auf den Pfefferminz gekommen, besser gesagt auf die Nana Minze. So wird die Marrokkanische Minze nämlich genannt. Damals ging es gar nicht anders. Beim Besuch der Gerberstätten hilft gegen den beißenden Gestank nur eins: Minzblätter in die Nasenlöcher stopfen. Und am Nachmittag hat man uns oft einen Berber Whisky gereicht. Das ist nichts anderes als frische Nanaminzeblätter aufgebrüht und mit irrsinnig viel Zucker versetzt. Je heißer es draußen ist, umso mehr kühlt dieses Getränk von innen. Pfefferminztee hilft auch gegen Magen- und Darmbeschwerden. Daher konnte es nicht schaden, das morgendlichen Stamperl Vodka am Nachmittag mit Berber Whisky aufzufrischen. Durchfall macht sich gar nicht gut auf einer Rundreise durch Marokko. Wer’s erlebt hat, weiß wovon ich spreche. 

Seit einigen Jahren wuchert Minze in verschiedensten Sorten in meinem Burgenländischen Garten. Ein Pfefferminztee als Weihnachtsgeschenk, das gibt es obligatorisch von mir. Er hilft nämlich auch bei Erkältungen oder Kopfschmerzen von den vielen Verwandtschaftsbesuchen.  Im Sommer brühe ich oft Pfefferminztee auf, presse eine Zitrone oder Limette rein und lass es abkühlen. Wir trinken das gerne als Erfrischungsgetränk. Vater „verkauft“ es Bekannten gerne als „besonderes Kräuterwasser“. Fast schon peinlich, wenn man dann von fremden Verkostern angerufen und nach dem Rezept gefragt wird und lediglich 3 Zutaten nennen kann: Wasser, Pfefferminze, Zitrone. Diesen Sommer mach ich gerne eine Pfefferminzlimonade aus einem indischen Buch. Das gibt mir Energie und pusht mich an heißen Tagen, wenn es doch noch Computerarbeit gibt und das Thermometer wieder an der 40 Grad Grenze kratzt.  Diese Mindful Melon Inspiration macht dich auch gleich zum/r Gärtner/in. 

Give it a try: Give it a try:  Los geht’s. Kauf dir eine Pefferminzpflanze. Da entdeckst du vielleicht gleich wie viele Sorten es gibt. Außer du holst sie dir vom Supermarkt. Da gibt es meist nur eine. Ansonsten findest du Nana Minze, Türkische Minze, Apfel-Minze, Bananen-Minze, Nudel-Minze, Zitronen-Minze, Schokoladen-Minze,… So eine Minze am Balkon, im Garten (eher im Topf lassen, sie verzweigt sich sonst sehr rasch und übernimmt das ganze Feld) oder auf der Fensterbank ist im Sommer eine herrliche Angelegenheit und du wirst vielleicht bald noch viel mehr Minzrezepte entdecken. Was ich im Sommer immer zu Hause/im Büro habe sind ein paar Bio Limetten oder Zitronen. Für dieses indische Limonade Rezepte brauchst du außerdem Zucker und Kreuzkümmel. 

Hast du vielleicht einen Moment der Achtsamkeit während der Arbeit, indem du feststellst, dass Körper und Geist müde werden?  Wünschst du dir eine kleine Pause in der du Kopf und Organismus wieder erfrischen kannst? In solch einem bewussten Moment kannst du als kleines Sommerritual anstatt eines aufputschenden Nachmittagscafés, doch besser zu einer Karaffe Minztee oder -limonade greifen. Die Zeit der Zubereitung möglichst achtsam bei jedem kleinen Schritt bleiben.   

Einige große Minzblätter ernten und klein schneiden, mit Zucker (oder auch ohne) und einem kleinen Esslöffel gemahlenen Kreuzkümmel und dem Saft einer Limette/Zitrone verrühren. Mit Sodawasser oder Leitungswasser aufgießen. Ein wenig durchziehen lassen. 

Macht sich herrlich als kühlende Pause von der Computerarbeit. 

Hast du den Moment erkannt? Den Moment, der dich dazu bewogen hat vom Schreibtisch aufzustehen um wieder einen kühlen Kopf zu bekommen? Kannst du dich erinnern an den Moment in dem dir PFEFFERMINZTEE/LIMONADE eingefallen ist? Welchen Bezug hast du zu deinem Minzepflänzchen entwickelt? Pflegst du es regelmäßig oder ist es bereits ein wenig vertrocknet? Hast du immer genug Blätter an den Ästen oder schaut sie schon etwas abgeerntet aus? Was denkst du dabei, wenn du erkennst wie es der Pflanze geht? Ist es dir möglich jeden Schritt der Zubereitung achtsam zu beobachten und bewusst auszuführen? Die Entscheidung welche Blätter verwendet werden? Die Zeit die du dir nimmst, die Blätter zu schneiden oder doch nur zu rupfen oder gar als Ganzes zu verwenden? Hat das alles Bezug zu deinem sonstigen Alltagdasein? Wie war es als du das Getränk das erste Mal auf den Geschmacksknospen der Zunge erlebt hast? War da ein prickeln? Eine Frische? Wie hast du das erlebt oder bist du schon wieder am Schreibtisch beim nächsten E-Mail gesessen? Spürst du eine körperliche Wirkung auf dieses Getränk? Etwas das sich im Kopfraum oder restlichen Körper verändert?


WU WOI CHA HUI - Teezusammenkunft ohne Ich

Obwohl ich Café trinke wie andere Tee, zieht es mich doch immer wieder ins Teehaus. Aber nicht unbedingt um Tee zu kaufen, sondern viel mehr um mich in Achtsamkeit zu üben. 

Meine erste Teezeremonie erlebt ich nicht in Beijing, da war der Jetlag stärker, als jeder Tee hätte schmecken können, sondern in meiner Heimatstadt Wien. Seitdem weiss ich um diese meditative Praxis, die zwar einem Ritual folgt aber doch immer anders ist, einfach weil jeder Moment neu ist. 

 

Hier geht es zu einem Text, den ich in Folge einer ganz einzigartigen Teezusammenkunft schrieb: Wu Woi Cha Hui - Teezusammenkunft ohne ich. 

Give it a try: Du musst nicht gleich an einer Teezeremonie teilnehmen oder lernen wie die Regeln sind. Bereite dir und vielleicht jemand anderen einfach eine wohltuende Tasse Tee zu. Achte auf das ausgewählte Teegeschirr, die Wassertemperatur für den ausgewählten Tee, die Ziehzeit und giesse den Tee achtsam in die Tassen. Betrachte Teefarbe, Teeduft und Teegeschmack. 

Woran erinnert dich die Farbe? Welche Assoziationen oder Beschreibungen gibt es für den Duft? Wie entfaltet sich der Geschmack des Tees? Gibt es unterschiedliche Nuancen? Schmeckt der Abgang anders oder der Tee beim zweiten Aufguss? Was kannst du noch entdecken während du den Tee so achtsam zubereitest?